8 Wochen Praktikum bei der Flüchtlingshilfe Sprockhövel
von Ridvan Kabakci
„Pauline beendet ihr Praktikum. Sie war 8 Wochen bei uns. Wir haben viel Spaß mit ihr gehabt und haben viel zusammen gelernt. Heute hat sie zum Abschied Muffins gebacken. Wir wünschen ihr alles Gute für ihre Zukunft“, liest mein Deutschkurs im Chor, anschließend klatschen alle. Wir machen Fotos zusammen, essen Muffins, unterhalten uns und lachen viel.
Acht Wochen sind eine lange Zeit, wenn man sie vor sich sieht. Ich bezweifele außerdem, dass ich meinen Aufgaben als 19 Jahre alte Studentin des Faches Pädagogik im zweiten Semester gewachsen sei: Zwei Deutschkurse, vier Alphabetisierungen im Einzelunterricht, Recherchen, Projektplanung, Fördermittelanträge stellen, Homepage- und Portalpflege, Patenschaften, Frauencafé, Kleiderkammer, Café MITeinander, Krabbelgruppe.
In unserem ersten Gespräch berichte ich Miriam Venn meine Zweifel und sie versucht mich zu beruhigen, jede Hilfe sei willkommen, keiner erwarte großartige Kompetenzen von mir. Doch natürlich kann mir die Angst nicht vollständig genommen werden, es kommen Fragen auf. Was passiert, wenn...? Was passiert, wenn nach meinen acht Wochen die drei Geflüchteten aus meinen Alphabetisierungskursen noch nicht perfekt lesen und schreiben können? Was passiert, wenn meine Patenfamilien am Ende meines Praktikums kein perfektes Leben führen? Was passiert, wenn plötzlich alle merken, wie unsicher ich bin? Oder dass ich keine fertig ausgebildete Pädagogin bin?
Doch schon in der ersten Woche meines Praktikums verfliegen meine Zweifel. Wo ich hingehe, werde ich mit offenen Armen und einem Lächeln empfangen. Und mit großer Dankbarkeit.
Niemand stellt hohe Erwartungen oder Ziele an mich, nichts desto trotz werde ich überall fest eingebunden und respektiert- man begegnet mir auf Augenhöhe und mit Anerkennung.
Ich werde als Deutschlehrerin, als Kinderbetreuerin, als Patin, als Ratgeberin und vor allem als Helferin gesehen. Rollen, die mir vorher nie so offensichtlich zugeschrieben wurden oder Rollen, in denen ich noch nie zuvor war.
Ich steckte jedoch nicht nur in übergeordneten Rollen. Man wird zum Mittagessen eingeladen, wird „meine Freundin“ genannt, fröhlich wird einem auf der Straße zugewinkt, wenn man sich begegnet, „fühl dich wie zu Hause“ ist eine gängige Aussage.
Wenn jemand im Café MITeinander oder außerhalb der Arbeitszeiten mit einer Frage oder einem Anliegen zu einem kommt, hilft man als Freund, weil man es gerne macht und nicht, weil man muss.
Und man bekommt dafür genauso viel zurück: „Ich mache jetzt einen Integrationskurs und ich muss oft an das denken, was du mir bei der Grammatik im Deutschkurs erklärt hast.“ Wenn beim Alphabetisierungskurs das erste Wort und ein paar Stunden später der erste ganze Satz gelesen wird.
Diese Ereignisse nehmen einem nicht nur die Angst, mit der Hilfe erfolglos gewesen zu sein oder bestätigen einen, sondern ich freue mich immer zusammen mit denen, die es ein Stück weiter geschafft haben.
Ein weiterer Teil meines Praktikums ist die Arbeit mit Miriam: Projektmanagement, Fördermittelanträge, Recherchen, Portal- und Homepagepflege – die gesamte Arbeit, die hinter den Kulissen der Flüchtlingshilfe Sprockhövel steckt. Arbeit, die noch viel mehr ist als das, wonach es aussieht (und es sieht bereits nach unglaublich viel aus) und Arbeit, die von Miriam mit einer unfassbaren Stärke, Schnelligkeit und Selbstverständlichkeit geleistet wird, dass man sich jedes Mal fragt, wie ein einzelner Mensch etwas derartig Großes und Großartiges leisten kann.
Ich erstelle Flyer für neue Projekte, recherchiere, sortiere Dokumente, schreibe Fördermittelanträge, Finanzpläne, Infoblätter und Formulare, Mitteilungen, viele E-Mails, kümmere mich um die Homepage und andere Portale – und darf das Projekt „Urban Gardening“ planen, welches mich sofort sehr begeistert und was am 8. Oktober zum ersten Mal stattfindet.
Auch hier habe ich also keine klischeehaften Praktikantenaufgaben. Ich darf sehr selbstständig arbeiten und bekomme Aufgaben, welche zum Teil anspruchsvoll und vor allem notwendig sind. Wieder begegnet man mir auf Augenhöhe.
Der Abschied ist schwer, schwerer als anfangs gedacht. Aber es ist auch klar, dass die Mitarbeit Flüchtlingshilfe für mich nicht beendet ist. Dafür sind mir sowohl die Geflüchteten, als auch die ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen zu sehr ans Herz gewachsen.
„Pauline beendet ihr Praktikum. Sie war 8 Wochen bei uns. Wir haben viel Spaß mit ihr gehabt und haben viel zusammen gelernt. Heute hat sie zum Abschied Muffins gebacken. Wir wünschen ihr alles Gute für ihre Zukunft“, liest mein Deutschkurs im Chor, anschließend klatschen alle. Wir machen Fotos zusammen, essen Muffins, unterhalten uns und lachen viel.
Ich danke euch.
Text: Pauline Jacobi